Otto   Ottos Ideen   Aktionen   Fotos   Gästebuch 

Ottos Tod

Nachdem ich gerade vom joggen komme und mir dabei der Kopf ziemlich klar geworden ist, sind mit diese Tage, Stunden und Minuten Ende Juni wieder ins Gedächtnis gerufen worden, welche ich - 14 Wochen ist es nun her - damals nur in Trance erlebt habe und Euch aus meiner Sicht schildern möchte. Ich erinnere mich noch relativ genau: Die Blauen hatten gerade (mal wieder) die Meisterschaft verpasst und unser aller Hoffnungen zunichte gemacht als die Zeit der Bundesliga-Sommerpause, des schönen Wetters und der Spaß-Fußballturniere begann. So war es auch am 23. bzw. 24.06.2007, die Gelsenszene hatte geladen zu einem ganztägigen Balltreter-Event, die Farben des Supporters-Clubs waren durch einige bekannte Gesichter, u.a. Otto, ebenfalls vertreten. In der Woche vor dem Turnier telefonierten Otto und ich noch 2-3 mal miteinander, so wie wir es jede Woche taten, meistens während der Arbeitszeit. Otto wollte mich dazu überreden doch auch noch an dem Turnier teilzunehmen ("Wir beide wie damals mit Doppelpässen…"), aber leider musste ich absagen, da an diesem Samstag das Saison-Abschlußspiel unserer Alten Herren der SSV Buer mit gemeinsamer "Abendgestaltung" anstand. Das Spiel unserer AH und das Abendprogramm waren auch soweit gelungen, glücklich, zufrieden und ein wenig schicker kam ich gegen 4 Uhr morgens heim und legte mich sofort ins Bett. Meine Nachtruhe sollte allerdings nur eine kurze werden, denn gegen 7.00 Uhr am Sonntag morgen stand meine Ehefrau Andrea (vom Otto immer "Ooondi" genannt) vor meinem Bett und weckte mich mit den Worten: "Der Düse hat angerufen, Du sollst ihn mal schnell zurückrufen, es ist dringend." Etwas angeduselt, halb vom Schlaf, halb vom Alkohol und noch gar nicht das Gehirn eingeschaltet, rief ich ihn an und er sprach die Worte aus, welche ich mein ganzes Leben nicht vergessen werde:

" Der Otto ist tot"

Es dauerte ca. 3-4 Sekunden bis diese 4 Worte von meinem Ohr bis zum Hirn durchgedrungen waren, dann wieder 3 weitere Sekunden bis mir die Tränen kamen und ich losheulte. Überraschenderweise zweifelte ich nicht an Düses Worten, so nach dem Motto `Das kann doch gar nicht sein´ o.ä., sondern glaubte es sofort. Als wir aufgelegt hatten war ich schlagartig klar im Kopf wie noch nie- und mir schossen gleichzeitig 1000 Gedanken durch den Kopf: "Otto, was ist genau passiert? Arme Eltern! Arme Steffi (seine Freundin)! In letzter Zeit hat er so viel zugenommen…er hat lange keinen Sport mehr getrieben und nun in der Hitze dieses Turnier, was und wie viel hat er getrunken, was hat er eingenommen, was passiert jetzt, was kann ich tun…" Aber schließlich und letztlich weinte ich erst einmal ziemlich lang und ausgiebig... Als ich mich einigermaßen beruhigt hatte, rief ich wieder Düse an, Arno war noch im Urlaub und bat ihn mich abzuholen um Ottos Eltern zu besuchen. Als ich nach Jahren mal wieder an der Haustür der Polsumer Str. 17 stand, lief mir ein Schauer über den Rücken und wieder kamen mir die Tränen [Damit niemand denkt, ich wäre eine Heususe: davor hatte ich zuletzt am 19.Mai 2001 geheult]. Es war nur Ottos Mutter daheim, sein Vater war noch mit seinem Karten- oder Kegelclub auf Tour in Hamburg und wusste noch von nichts. Seine Mutter befand sich in einem recht stabilen Zustand, v.a. weil sie eine starke Beruhigungstablette zu sich genommen hatte. Wir umarmten uns, saßen uns hin und sie erzählte, dass Otto seit Weihnachten nicht mehr im Elternhaus gewesen wäre und das der Kontakt in letzter Zeit ein wenig verloren gegangen wäre…Nach einem ca. halbstündigen Aufenthalt versprach ich am nächsten Tag wiederzukommen und mich um einige wichtige unerlässliche Dinge meines Freundes zu kümmern. Den restlichen Tag verbrachte ich damit zunächst Boris und Karla zu besuchen und mit unzähligen Leuten zu sprechen und zu telefonieren um meinen Schmerz und meine Trauer irgendwie zu teilen. Am Abend dann überlegte ich mir dann einen Text für die gemeinsame Todesanzeige von Arno und mir, seinen alten Freunden:

Zusammen gespielt
Zusammen gelernt
Zusammen geweint
Zusammen gelacht
Zusammen gelebt
You´ll never walk alone!

Waren diese Worte gut? Waren sie passend? Drückten sie genug aus? Zu wenig? Ich wusste es nicht, aber da Arno auch einverstanden war, wurde das Inserat am Montag morgen genau so aufgegeben. Da ich mir die folgende Woche darauf von der Arbeit frei genommen hatte, fuhr ich am Montag gemeinsam mit Steffi in Ottos Wohnung. Ich holte sie von zuhause ab und traf´ auf ein trauriges Häufchen Elend. Erst nun als ich mir nochmals die letzten Minuten aus Ottos Leben schildern ließ, begriff ich, wie hart es sie getroffen haben musste und wie schlimm es für sie war Otto in seinem Überlebenskampf zusehen und ihn schließlich sterben sehen zu müssen. Ein ganz ganz schlimmes persönliches Schicksal, welches mir für sie sehr leid tut. Otto ist gestorben, eine Art des Sterbens, bei welcher es durchaus schlimmere Formen gibt, nur leider 50 Jahre zu früh! Nach einem Fußballturnier mit seinen Freunden, war er mit Steffi in Ihrer Wohnung, trank noch ein Alster, griff´ sich ans Herz und war wenige Minuten später gestorben. Der eiligst herbeigerufene Rettungsdienst konnte nichts mehr für ihn tun. Steffi und ich fuhren in die Ottos Wohnung in dem Maiblumenweg in Duisburg, welche wir beide noch nie betreten hatten. Die Wohnung war ein Spiegelbild seiner selbst, chaotisch,…und mir schossen wieder einige Gedanken durch den Kopf: "Otto, wenn Du Hilfe benötigt hast, warum hast du nichts gesagt? Oder war es Dir egal oder nicht wichtig? Oder ist das Geld ausgegangen? Was war los mit Dir?"

Steffi und ich fingen an aufzuräumen…

Am späten Nachmittag besuchte ich nochmals die Eltern. Der Vater war nun auch da und sah sehr gebrochen aus. Beide wollten eine Bestattung in aller Stille und ich machte Sie darauf aufmerksam, dass dies Vorhaben wohl nicht gelingen würde, da ihr Sohn sehr bekannt und beliebt war und deshalb einige hundert Leute zu erwarten seien. Dies nahmen Sie mehr oder minder verwundert zur Kenntnis. Montag abend kam glücklicherweise Arno zurück, der seinen Urlaub vorzeitig abgebrochen hatte, Düse und ich holten seine Frau Tatjana und ihn vom Flughafen ab, fuhren zu ihm in die Wohnung, tranken einige Biere und sprachen über Otto bis tief in die Nacht. Noch in der Montag-Nacht und am nächsten Morgen schrieb ich die Trauerrede für die Beerdigung, welche Arno am nächsten Tag noch vervollständigte. Am Dienstag morgen dann bekam ich daheim Besuch von dem Pfarrer, welcher Ottos Bestattung vornehmen sollte. Ich war überrascht, dass es sich um einen relativ jungen Geistlichen handelte, welcher sich überraschenderweise vorab im Supporters-Gästebuch über Otto erkundigt hatte und - man kann sagen - auch von dieser Welt war, sprich nicht in seiner eigenen spirituellen Welt lebte und nicht weiß, was um ihn herum passiert. Dieses Gespräch verlief wirklich sehr angenehm und war für mich auch unter anderem der Grund dafür, dass ich darauf wieder in die Kirche eingetreten bin. Am späten Dienstag vormittag wiederum trafen Arno und ich Steffi in Buer, welche gerade bei der Polizei war, weil bei Otto noch eine Obduktion vorgenommen werden sollte, da dieser so jung gestorben war. Später fuhren Arno und ich wieder in die Wohnung nach Duisburg und versuchten noch ein wenig Ordnung zu schaffen und schauten in seine zahlreichen Kisten nach alten Erinnerungsstücken, und tatsächlich, wir fanden die Ernie-Spardose, den alten Mini-Tresor (der nun bei mir auf der Fensterbank steht), eine Schalke-Kinderuhr, welche er früher immer trug, seinen Carlo-Colucci-Pullover mit der Landkarte von Südost-Asien vorn, unzählige Eintrittskarten und vieles weitere. Dann fingen wir an schon mal einige Kisten zur Müllentsorgungsanlage in Duisburg zu fahren, was beim ersten Mal auch gut funktionierte. Beim zweiten Mal allerdings sah der Einweiser der Müllanlage unser Gelsenkirchener Kennzeichen, verlangte unseren Personalausweis und meinte, dass wir nicht berechtigt wären unseren Müll dort abzugeben…. Na da hättet Ihr mal den Arno erleben müssen….Einige Prügelandrohungen später waren wir endgültig "berechtigt" unsere Sachen ebenfalls zu entsorgen….Das hätte dem Otto gut gefallen!!!! Spätestens am Mittwoch war die Nachricht von Ottos Tod überall herum, das Supporters-Gästebuch hatte so viele Einträge wie noch nie. Das Unvermeidliche rückte immer näher…

Ich war sehr gerührt über so viel Anteilnahme und so viele Hilfsangebote von allen Seiten!

Vielen Dank dafür an alle und natürlich auch an meine tolle Ehefrau Andrea !!!!

Am Mittwoch nachmittag dann wurde Ottos Leichnam aufgebahrt in der Trauerhalle in Gelsenkirchen-Buer. Ich musste sofort zu ihm, wollte ich doch nochmals allein Abschied nehmen von meinem Freund, Kumpel, Weggefährten. Also saß ich zwei Stunden dort in der Trauerhalle vor der Glasscheibe vor seinem Leichnam, war wahnsinnig traurig und sagte immer zu ihm: "Otto, das war noch nicht notwendig" "Steh´ auf Du Blödmann" "Wir wollten doch noch die Schalker Meisterschaft feiern" e.t.c… Irgendwann musste ich einsehen, dass er mir den Gefallen aufzustehen wohl nicht erweisen würde und ging traurig heim. Am Donnerstag war dann die Beerdigung. Als Arno, Tatjana, Andrea und ich an der Trauerhalle ankamen, waren schon einige Leute da, die Eltern trafen ein und brachten tatsächlich noch die Kraft auf ebenfalls in die Halle zu gehen um ihren Sohn zu verabschieden. Es kamen immer mehr Leute aus allen Richtungen, einige gingen nochmals in die Trauerhalle um nochmals persönlich Abschied zu nehmen, andere verzichteten darauf um Otto genauso in Erinnerung zu behalten wie Sie es gewohnt waren, lustig, fröhlich, ein schräger Vogel halt. Die Trauerfeier war einerseits unheimlich traurig für alle, andererseits auch ziemlich locker, weil der Pfarrer die Zeremonie u.a. mit dem Abschlusslied "Nehmt Abschied Brüder, ungewiss ist Eure Wiederkehr" so angenehm wie möglich in Ottos Sinne gestaltete. Meine persönlichen Gefühle schwankten zwischen unendlicher Traurigkeit und Glück einen Menschen, bei dessen Bestattung so viel Menschen beiwohnen und so vielen Menschen wichtig war, so gut gekannt zu haben. Statt Kränzen und Blumen hatten wir bei der Beerdigung um Geldspenden für den Grabstein und die Grabpflege gebeten. Das Ergebnis haute mich um, schließlich und letztlich kamen über 5.300 Euro zusammen. Der bestellte Grabstein ist nun aufgestellt, wer ihn noch nicht gesehen hat, sollte dies nachholen! Ich denke, er hätte ihm gefallen! Der Rest des Geldes wird an die Eltern für die Pflege des Grabes überwiesen.

Der Rest ist schnell erzählt: Ottos Sarg wurde in den Boden hinab gelassen, jeder nahm noch persönlich Abschied von ihm, unzählige Schalke-Utensilien wurden als letzter Gruß mit hinunter ins Grab geworfen. Anschließend trafen wir uns beim Willi im Anno 1904 um gemeinsam unsere Trauer zu verarbeiten und mit Bier und Nordsturm diese kurzfristig zu verdrängen. Ich erinnere mich noch daran "Nur die Besten sterben jung" und "Wenn ein Schalker Junge weint" laut mitgesungen zu haben… Aber der nächste Morgen (und der vermeidliche Kater) kam und mit ihm ein riesiges Loch in meinem Leben…